Sonntagszeitungen und Magazine

Die heutigen Mediengesellschaften zeichnen sich durch einen nie abreissenden Strom an Nachrichten, Meinungen und Emotionen aus. Liveticker, Pushnachrichten und soziale Medien sind stark auf die Gegenwart fixiert. Das führt zum Paradox, dass trotz Informationsfülle sogleich zu vergessen droht, was soeben gelesen, gesehen oder gehört wurde. Der französische Philosoph und Medienkritiker Paul Virilio spricht in diesem Zusammenhang vom rasenden Stillstand.

Angesichts der jüngsten Krisen, allen voran der Covid-Pandemie und dem Ukrainekrieg, ist die Einordnung notwendiger denn je. Sonntagszeitungen und Magazine durchbrechen – im besten Fall – den rasenden Stillstand des medialen Dauerfeuers. Der wöchentliche Erscheinungsrhythmus lässt Zeit für relevante Themen, aufwendigere Recherchen, inhaltliche und geografische Vielfalt, einordnende Hintergrundberichterstattung und das Einhalten hoher journalistischer Standards. Im Idealfall gelingt es Sonntagszeitungen und Magazinen sogar, starke Reaktionen in der Öffentlichkeit auszulösen und Debatten zu beleben.

Angesichts dieser wichtigen gesellschaftlichen Funktion ist es erfreulich, dass alle untersuchten Sonntagszeitungen und Magazine einen höheren Gesamtscore erzielen als noch zwei Jahre zuvor. Die Aufschlüsselung der Scores nach den beiden Methoden der Inhaltsanalyse und Befragung zeigt zudem, dass bei fast allen sieben Medientiteln sowohl die Werte der Berichterstattungsqualität als auch der Qualitätswahrnehmung gestiegen sind. Die Aufschlüsselung nach den vier Dimensionen zeigt, dass die meisten Sonntagszeitungen und Magazine gegenüber den Messungen vor der Corona-Pandemie stark bei der Relevanz und Einordnungsleistung hinzugewonnen haben. Dieser Zugewinn an Qualität ging allerdings zu Lasten der Vielfalt – hier zeigt sich ein deutlicher Qualitätsrückgang.

Die Wochenzeitung WOZ und die NZZ am Sonntag stehen an der Spitze der Vergleichsgruppe. Obwohl die NZZ am Sonntag, die vor zwei Jahren noch die Vergleichsgruppe anführte, ihre Qualität von 76,0 auf 79,0 Punkte steigern konnte, reicht es für sie nicht für den erneuten Gruppensieg. Denn die WOZ hat in der Wahrnehmung ihres Publikums derart stark an Qualität zugewonnen, dass sie sich von 74,6 auf 79,3 Punkte steigert. Vielleicht mag es ein Trost für die NZZ am Sonntag sein, dass sie nicht nur in der Berichterstattungsqualität weiterhin vorne liegt, sondern auch aufgrund ihrer höheren Reichweite einen deutlichen höheren Impact-Score hat.

Neben der WOZ schneiden auch die Weltwoche und der SonntagsBlick deutlich besser ab als noch zwei Jahre zuvor. Auffallend sind die hohen Zugewinne in der Publikumsbefragung bei der Weltwoche (+16 Punkte) und der WOZ (+10 Punkte). Hier zeigt sich einmal mehr, dass beim MQR die redaktionelle Linie und gemessene Medienqualität unabhängig voneinander sind. Zudem zeigt das Rating, dass in turbulenten Zeiten Medien mit klarem publizistischem Profil offenbar geschätzt werden.

Qualitätswahrnehmung
Berichterstattungsqualität
Berichterstattungsqualität und Qualitätswahrnehmung des Publikums

Die Grafik zeigt für die Analyse der Berichterstattungsqualität (x-Achse) und die Analyse der Qualitätswahrnehmung (y-Achse), ob eine Sonntagszeitung oder ein Magazin unterdurchschnittliche (–1), durchschnittliche (0) oder überdurchschnittliche (+1) Qualitätswerte erzielt. Bei Titeln, die sich in der Diagonale positionieren, kommen beide Messverfahren zu analogen Befunden. Bei Titeln ausserhalb der Diagonale weichen die Ergebnisse der Inhaltsanalyse und der Befragung voneinander ab. Punkte oberhalb der Diagonale bedeuten, dass der Medientitel vom befragten Publikum besser bewertet wird. Kommt der Medientitel unterhalb der Diagonale zu liegen, schneidet er in der Inhaltsanalyse besser ab.

Lesebeispiel: Der SonntagsBlick schneidet in der Vergleichsgruppe «Sonntagszeitungen und Magazine» sowohl bei der Inhaltsanalyse als auch bei der Befragung unterdurchschnittlich ab.

Die WOZ gewinnt mit hauchdünnem Vorsprung Die WOZ erreicht 79,3 von 100 Qualitätspunkten, die NZZ Sonntag kommt auf 79,0 Punkte. Die beiden Blätter punkten in unterschiedlichen Feldern: Während die WOZ beim Publikum am besten abschneidet, liegt die NZZ am Sonntag in der Berichterstattungsqualität vorn. Dahinter folgen Weltwoche mit 75 Punkten und die SonntagsZeitung mit 67 Punkten.

Die Schweiz am Wochenende und Le Matin Dimanche liegen knapp dahinter mit 66 beziehungsweise 64 Punkten auf dem fünften und sechsten Rang. Hinten landet zwar der SonntagsBlick mit 59 Punkten, doch konnte dieser seinen Abstand zu den übrigen Titeln gegenüber 2020 verkürzen. Er verbessert sich in beiden Dimensionen um jeweils 9 Punkte.