Gesellschaftliche Wirkung durch Politik- und Wirtschaftsberichterstattung

Qualitätsmedien gelten als unverzichtbar für die Meinungsbildung im direktdemokratischen Staat. Mit Qualität allein erzielen Medientitel jedoch keine gesellschaftliche Wirkung. Sie müssen auch gelesen und ihre Beiträge müssen verstanden werden. Nur so können sie Wirkung erzielen, also einen sogenannten Impact haben. Deshalb wird das Medienrating um eine Kennzahl ergänzt: Der neue Impact-Score weist die Wirkstärke von 51 deutsch- und französischsprachigen Medientiteln aus, die diese auf die Meinungs- und Willensbildung ausüben. Hierbei wird der Fokus auf die Politik- und Wirtschaftsberichterstattung gelegt. In den Impact-Score fliessen zu gleichen Teilen zwei Faktoren ein: Zum einen die Reichweite und Nutzungshäufigkeit, zum anderen der Informations- und Verständnisgewinn bei politischen und wirtschaftlichen Themen.

Der neue Impact-Score mit seinen beiden Faktoren macht sichtbar, welche Medientitel für die Meinungs- und Willensbildung bei politischen und wirtschaftlichen Fragen besonders bedeutsam sind. Darüber hinaus soll er zum kritischen Nachdenken anregen, wie die Medienmacht in den Sprachregionen verteilt ist. Zwar ist es für jeden Medientitel erstrebenswert, einen hohen Impact-Score zu erzielen. Demokratietheoretisch bedenklich hingegen ist eine stark konzentrierte Medienmacht. Für die Meinungs- und Willensbildung wäre es am besten, wenn der Impact durch Informations- und Verständnisgewinn bei allen Medientitel möglichst hoch ist. Der Impact durch Reichweite und Nutzungshäufigkeit sollte jedoch über viele Medientitel verteilt sein. Nur so kann die gesellschaftliche Vielfalt an Positionen und Meinungen eingefangen werden.

Wie die Werte des Impact-Scores zustandekommen Entwickelt, durchgeführt und ausgewertet wurde diese Vertiefungsstudie an der Universität Fribourg und der Hochschule Luzern. Der Impact-Score gründet auf der Idee, wonach zwei Faktoren die Stärke der Wirkung beeinflussen, die ein Medientitel auf die Meinungs- und Willensbildung im Bereich Politik und Wirtschaft hat:

  • Erster Faktor: Impact durch Reichweite und Nutzungshäufigkeit Politische und wirtschaftliche Berichterstattung, die nicht gelesen, geschaut oder gehört wird, kann keinen Einfluss haben. Eine hohe Reichweite und eine hohe Nutzungshäufigkeit sind notwendig, damit die Berichterstattung überhaupt wahrgenommen und die Aufmerksamkeit der Bevölkerung gewonnen wird.
  • Zweiter Faktor: Impact durch Informations- und Verständnisgewinn Es reicht nicht aus, zu den Köpfen der Menschen vorzudringen. Die politische und wirtschaftliche Berichterstattung einzelner Medientitel muss in diesen Köpfen auch etwas bewirken. Erst wenn die Menschen einen Informations- und Verständnisgewinn haben, kann von einem gesellschaftlichen Impact gesprochen werden.

Damit die Reichweite und Nutzungshäufigkeit sowie der Informations- und Verständnisgewinn gemessen werden konnte, wurden zusätzliche Elemente in die repräsentative Bevölkerungsbefragung des allgemeinen Medienqualitätsratings eingebunden. Mit der Datenerhebung wurde das Schweizer Sozial- und Marktforschungsunternehmen DemoSCOPE beauftragt. Insgesamt haben 3 630 Personen an der Befragung teilgenommen, davon 2 728 in der Deutschschweiz und 902 in der Suisse romande. Der Fragebogen lag in deutscher und französischer Sprache vor.

Wie ist der Online-Fragebogen aufgebaut? In den Impact-Score fliessen drei Teilwerte ein. Der erste Faktor umfasst die beiden Teilwerte Reichweite und Nutzungshäufigkeit eines Medientitels, der zweite Faktor den Teilwert für dessen geleisteten Informations- und Verständnisgewinn. Im Online-Fragebogen wurden diese drei Teilwerte in drei aufeinander abgestimmten Schritten erfasst. Diese drei Stufen sind im Folgenden schematisch am Beispiel einer fiktiven Teilnehmerin namens Alva veranschaulicht.

Alva gibt an, welche deutschsprachigen Medienangebote sie in letzter Zeit genutzt hat – egal für welchen Zweck, egal über welchen Kanal (gedruckt, E-Paper, online, App usw.) und egal wie oft. Im Beispiel hat Alva die Basler Zeitung und Berner Zeitung nicht genutzt, jedoch die Aargauer Zeitung. Für den Bund und die Luzerner Zeitung steht im Beispielbild die Auswahl noch offen,

Alle Teilnehmenden wurden zu sämtlichen Medienangeboten der jeweiligen Sprachregion befragt. Die Medienangebote wurden nach Gruppen abgefragt, die Reihenfolge erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Bei tagesaktuellen Medien wurde nach den «letzten zwei Wochen», bei wöchentlichen Medientiteln nach den «letzten drei Monaten» gefragt.

Alva hat im vorherigen Schritt angeben, dass sie das Medienangebot der Aargauer Zeitung in irgendeiner Form genutzt hat. Deshalb wird sie nun anhand einer fünfstufigen Skala detailliert gefragt, wie und wie oft sie die Aargauer Zeitung genutzt hat. Im Beispiel ist Alva eine klassische Zeitungsleserin: Die gedruckte Ausgabe und das E-Paper nutzt sie regelmässig, nicht aber die App und die Onlineseite.

Alle Teilnehmenden wurden zu sämtlichen Medienangeboten befragt, deren Nutzung zuvor bejaht wurde. Die Kanäle wurden für die einzelnen Medienangebote angepasst (z. B. beim Echo der Zeit entsprechend im Radio oder Livestream, per App oder Mediathek).

Weil Alva die Aargauer Zeitung regelmässig liest, kann sie nun eine Beurteilung anhand von fünf Aussagen darüber abgeben, welchen Informations- und Verständnisgewinn sie aus der Berichterstattung in Bezug auf Politik und Wirtschaft zu glauben zieht. Die Skala reicht von 1 bis 5.

Alle Teilnehmenden wurden zu maximal sieben Medientiteln im Detail befragt. Die Liste mit der Anzahl der einzelnen Beurteilungen befindet sich hier.

Wie berechnet sich der Impact durch Reichweite und Nutzungshäufigkeit? Bei der Reichweite und der Nutzungshäufigkeit handelt es sich um zwei separate Werte. In den folgenden beiden Abschnitten wird zunächst dargelegt, wie diese Teilwerte jeweils erhoben worden sind. Anschliessend wird aufgezeigt, wie diese Teilwerte verrechnet wurden.

Zur Reichweite: Für den Impact-Score wird der sogenannte weiteste Nutzerkreis (WNK) herangezogen. Hierbei handelt es sich um eine gängige Kennzahl, die alle «Nutzer des Mediums in einem bestimmten Zeitraum» ausweist (vgl. Agma, 2022). Die vorliegende Studie erfasst erstmals den WNK von 51 Medientiteln aus verschiedenen Medienformatgruppen (z. B. Tages- und Onlinezeitungen, Radio- und Fernsehsendungen) und Landessprachen. All jene Personen werden zum WNK eines Medientitels gezählt, die zwei Bedingungen erfüllen: Sie haben angegeben, dass sie das Medienangebot in irgendeiner Form genutzt haben. Zudem haben sie vermerkt, dass sie mindestens einen Kanal des Medientitels zumindest «selten» nutzen. Neben der Erscheinungshäufigkeit werden somit auch die verschiedenen Kanäle berücksichtigt, über die ein Medientitel abrufbar ist (z. B. gedruckte Ausgabe und E-Paper oder Website und App). Der WNK jedes Medientitels wird jeweils in den Einzelbeschrieben in der Kopfzeile ausgewiesen. Es ist erstmals möglich, die Reichweiten von Medientiteln aus unterschiedlichen Formatgruppen anzugeben. Bei den Tageszeitungen ist ein Vergleich mit den offiziellen Reichweitedaten aus der aktuellen Mach-Basic-Studie (2022-1) möglich, welche für die Schweizer Medienbranche die offiziellen Daten für die Print-Mediaplanung das Verlagsmarketing liefert. Beide Messungen korrelieren stark (r = 0.79). Dies spricht für die Zuverlässigkeit der WNK-Daten.

Zur Nutzungshäufigkeit: Im WNK fliesst nicht ein, wie häufig ein Medientitel genutzt wird. Denn ein hoher WNK nützt einem Medientitel wenig, wenn dessen Berichterstattung von den Menschen nur selten gehört, gesehen oder gelesen wird. Um die Aussagekraft des ersten Faktors des Impact-Scores zu erhöhen, wird daher die Nutzungshäufigkeit innerhalb des WNK als Gewichtungsfaktor eingerechnet. Bei der Frage nach der Nutzungshäufigkeit wurde bewusst auf konkrete Häufigkeitsangaben (z. B. «mehrmals täglich», «einmal pro Woche») verzichtet, denn dies hätte einen Vergleich über Medientitel mit unterschiedlicher Erscheinungshäufigkeit verunmöglicht. Stattdessen wurden auf einer fünfstufigen Skala relative Häufigkeitsangaben als Anker verwendet: «nie» (1), «selten» (2), «ab und zu» (3), «oft» (4) und «sehr oft» (5).

Zur Verrechnung von Reichweite und Nutzungshäufigkeit: Der WNK gibt an, wie viel Prozent der Bevölkerung in der jeweiligen Landessprache in einem bestimmten Zeitraum erreicht wird – bei tagesaktuellen Medientiteln die letzten zwei Wochen, bei wöchentlichen Medientiteln die letzten drei Monate. Von den französischsprachigen Befragten geben zum Beispiel 73,6 Prozent an, sie hätten Le Journal auf RTS in den letzten zwei Wochen gesehen. Die Aussagekraft dieses WNK-Werts lässt sich erhöhen, indem zusätzlich die Nutzungshäufigkeit eingerechnet wird. Dazu soll bei überdurchschnittlich genutzten Medientiteln der WNK-Wert mit einem Gewichtungsfaktor grösser als 1 multipliziert werden,

bei unterdurchschnittlich genutzten Medientiteln mit einem Gewichtungsfaktor kleiner als 1. Der Gewichtungsfaktor wird ermittelt, indem die jeweilige Nutzungshäufigkeit eines Medientitels geteilt wird durch die durchschnittliche Gesamtnutzungshäufigkeit aller untersuchten Medientitel. Dieser Wert beträgt 2,9. Der Impact durch Reichweite und Nutzungshäufigkeit wird berechnet, indem die Reichweite mit dem aus der Nutzungshäufigkeit abgeleiteten Gewichtungsfaktor multipliziert wird. So wird Le Journal mit einem Wert von 3,5 häufiger genutzt als der Durchschnitt von 2,9. Die Rechnung geht nun wie folgt: 73,6 × (3,5/2,9) = 73,6 × 1,2 = 88,8.

Wie berechnet sich der Impact durch Informations- und Verständnisgewinn? Bis jetzt ist der Impact durch Informations- und Verständnisgewinn noch nie gemessen worden. Es existiert keine Vorlage wie beim WNK zur Messung der Reichweite und Nutzungshäufigkeit. Daher wurden die zu bewertenden Aussagen – die sogenannten Items – in Abstimmung mit Fachleuten aus der Kommunikationswissenschaft und Medienpraxis neu entwickelt.

Hierzu wurde auf gängige Unterscheidungen von Lernstufenmodellen aus der Bildungsforschung zurückgegriffen (in der Fachliteratur würde man von Lernzieltaxonomien für kognitive Prozesse sprechen). Jede Beurteilung basiert auf dem Mittelwert von fünf zu bewertenden Aussagen: [Medientitel] hilft mir «... über Politik informiert zu sein»; «... über Wirtschaft informiert zu sein»; «... politische Vorgänge besser zu verstehen»; «... wirtschaftliche Vorgänge besser zu verstehen»; «... mir eine Meinung über Abstimmungsvorlagen zu bilden». Diese fünf Items decken für die Politik- und Wirtschaftsberichterstattung die ersten drei Lernstufen ab, nämlich erstens Wissen («informiert zu sein»), zweitens Verstehen («besser zu verstehen») und drittens Anwendung («eine Meinung ... zu bilden»).

Die Teilnehmenden konnten ihre Beurteilungen zum vermuteten oder erwarteten Informations- und Verständnisgewinn ausschliesslich zu jenen Medientiteln angeben, die sie mindestens ab und zu nutzen (entspricht den Skalenwerten 3, 4 und 5 bei der Nutzungshäufigkeit). Auf diese Weise konnten insgesamt 11 970 Beurteilungen erhoben werden.

In den statistischen Analysen zeigte sich, dass die fünf Items zur Messung des Informations- und Verständnisgewinns geeignet sind. Das in der Statistik etablierte Gütekriterium Cronbach’s Alpha liegt mit >0.9 deutlich über dem in der Forschungsliteratur empfohlenen Schwellenwert von 0.7. Dieses Resultat besagt, dass die Gruppe der fünf Items ein einziges Konstrukt misst, in diesem Fall: den empfundenen Informations- und Verständnisgewinn. Eine zusätzliche Faktoranalyse (ein statistisches Verfahren, das Strukturen in Daten aufdeckt) bestätigt dieses Ergebnis. Entsprechend konnte aus allen fünf Aussagen anhand des Mittelwertes ein Index berechnet werden.

Anmerkungen: Die Reichweite basiert auf dem weitesten Nutzerkreis, der angibt, wieviel Prozent der Bevölkerung einen Medientitel in einem bestimmten Zeitraum in der jeweiligen Landessprache erreicht hat. Französischsprachige Medientitel haben aufgrund der höheren Medienkonzentration in der Suisse romande tendenziell eine höhere Reichweite.

Wie werden die Kennwerte zum Impact-Score verrechnet? Aus den beiden Faktoren Reichweite- und Nutzungshäufigkeit sowie Informations- und Verständnisgewinn kann nun der Impact-Score berechnet werden. Es liesse sich trefflich darüber streiten, ob ein Faktor wichtiger ist als der andere. Im Rahmen des Impact-Scores wird festgelegt, dass beide Faktoren je hälftig einfliessen sollen.

Hierzu reicht es allerdings nicht aus, schlicht für jeden Medientitel aus beiden Faktoren den Mittelwert zu bilden. Denn es ist sofort ersichtlich, dass beide Faktoren sehr unterschiedlichen Verteilungen und Skalen folgen: Die Werte des Impacts durch Reichweite und Nutzungshäufigkeit reichen von 4,2 bis 88,8; die Werte des Impacts durch Informations- und Verständnisgewinn von 2,7 bis 4,2. Würden einfach beide Teilwerte gemittelt werden, so würde der erste Faktor weit stärker den Impact-Score beeinflussen.

Die Statistik kennt ein einfaches Standardverfahren, um Werte aus zwei unterschiedlichen Verteilungen vergleichbar zu machen. Mit dem Verfahren der z-Standardisierung werden die Werte einer Verteilung in eine statistisch universelle Masseinheit umgerechnet. Als Ankermasse dienen der jeweilige Mittelwert und die Standardabweichung, also wie stark die Werte um den Mittelwert streuen. Zur Berechnung des finalen Impact-Scores wird für jeden Medientitel sowohl für Reichweite und Nutzungshäufigkeit als auch für den Informations- und Verständnisgewinn eine relative Position für den Wert berechnet. Die beiden Verteilungen werden standardisiert. Zur besseren Verständlichkeit werden in einem letzten Schritt – mit einer einfachen linearen Transformation – die z-Werte der gängigen MQR-Skala angeglichen, die von 0 (niedrigster Wert) bis 100 (höchster Wert) reicht. Die Impact-Scores reichen somit von 5,0 (niedrigster Wert) bis 90,0 (höchster Wert).

Welche Ergebnisse fallen besonders auf? Der Impact-Score weist die Wirkstärke von Medientiteln aus, die diese mit ihrer Politik- und Wirtschaftsberichterstattung auf die Meinungs- und Willensbildung ausüben. Die SRG-Titel führen die Gesamtliste klar an.

Sieben von zehn Medientiteln mit den höchsten Impact-Scores gehören zu RTS und SRF. An der Spitze stehen die Tagesschau (89 Punkte) und das französischsprachige Pendant Le Journal (90 Punkte). Mit einigem Abstand folgen die Sendungen 10 vor 10 (74 Punkte), die Newssites rts.ch/info (72 Punkte) und srf.ch/news (70 Punkte) und das Mittagsmagazin Le 12h30 (63 Punkte). Zu den zehn einflussreichsten Medientiteln zählen des Weiteren traditionelle Printmedien: die Neue Zürcher Zeitung (61 Punkte) und Le Temps (54 Punkte) sowie die NZZ am Sonntag (49 Punkte).

In der Gruppe der Tages- und Onlinezeitungen fällt auf, dass sich die Print- und Onlineausgaben kaum unterscheiden hinsichtlich der Reichweite und Nutzungshäufigkeit. Die Printausgaben weisen jedoch tendenziell bessere Werte auf, weil sie für informativer und verständlicher gehalten werden als ihre Onlinependants. Überraschend hoch fallen bei Le Nouvelliste und nouvelliste.ch die Werte zur Reichweite und Nutzungshäufigkeit aus, da diese auf den französischsprachigen Teil des Wallis fokussieren. Eine mögliche Erklärung ist, dass der Nouvelliste im Befragungszeitraum durch Nachrichten oder Aktionen über das Wallis hinaus – in der französischsprachigen Schweiz – Aufmerksamkeit erzeugen konnten.

Bei den Sonntagszeitungen und Magazinen kann sich die NZZ am Sonntag an die Spitze setzen, obwohl Le Matin Dimanche und die SonntagsZeitung eine höhere Reichweite und Nutzungshäufigkeit haben. Denn die NZZ am Sonntag hat einen Spitzenwert beim empfundenen Informations- und Verständnisgewinn. Erklärungsbedürftig ist, dass die Schweiz am Wochenende einen weit niedrigeren Wert bei der Reichweite und Nutzungshäufigkeit erreicht als von der Auflage zu erwarten gewesen wäre. Eine naheliegende Erklärung ist, dass es die Schweiz am Wochenende nicht nur als nationale Ausgabe gibt, sondern auch als Mantelteil von vielen regionalen Zeitungen, zum Beispiel der Aargauer Zeitung und Luzerner Zeitung. Womöglich stiftete dies bei den Befragten Verwirrung.

Die Onlineausgaben 20minutes.ch (42 Punkte) und 20minuten.ch (36 Punkte) führen deutlich die Gruppe der Boulevard- und Pendlerzeitungen an. Diese Medientitel punkten vor allem mit dem Faktor Reichweite und Nutzungshäufigkeit, der Informations- und Verständnisgewinn wird als vergleichsweise gering empfunden.

In der Gruppe der Radio- und Fernsehsendungen lohnt sich ein differenzierterer Blick auf die regionalen Nachrichtensendungen. In dieser Gruppe führt das Journal von Léman Bleu (37 Punkte), das einen bemerkenswert hohen Wert beim vermuteten Informations- und Verständnisgewinn erzielt – sogar noch vor dem Journal auf RTS. TeleZüri ist der Regionalsender mit der höchsten Reichweite und landet in dieser Untergruppe auf Rang 2. Es folgen die Regionalnachrichten von Tele 1 (15 Punkte), TeleBärn (13 Punkte) und Tele M1 (5 Punkte).

Wie sind die Ergebnisse zu deuten? Rankings aller Art, so wissenschaftlich abgestützt ihr jeweiliges Vorgehen auch sein mag, sind stets mit Vorsicht zu interpretieren. Bei der Berechnung der Impact-Scores wurde z. B. keine Unterscheidung hinsichtlich des Verbreitungsgebietes gemacht – überregionale Medientitel werden mit regionalen Medientiteln in einen Topf geworfen.

Die einheitliche Bewertung ist einerseits eine Stärke des Impact-Scores, weil die Wirkstärke der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung jedes Medientitels auf ein- und dieselbe Weise erhoben wurde. Dies erlaubt einen direkten Vergleich der Werte. Würde in den Impact-Scores das jeweilige Verbreitungsgebiet berücksichtigt werden, so wäre die Vergleichbarkeit der Werte nicht länger gegeben. Medientitel mit hoher Abdeckung in kleinen, eng absteckten Verbreitungsgebieten würden zu hohe Werte erzielen; Medientitel mit geringer Reichweite in Randgebieten zu geringe Werte. Andererseits erfordert diese Gleichbehandlung auch Fingerspitzengefühl bei der Interpretation der Ergebnisse. Nur weil man alle Medientitel miteinander vergleichen kann, heisst das nicht, dass jeder Vergleich auch sinnvoll ist. Um eine Analogie zum Sport zu geben. Ein Match beim Fussball dauert überall 90 Minuten, die Regeln sind dieselben, messen tun sich aber in der Nationalliga die besten Mannschaften, die kleineren Clubs vergleichen sich in regionalen Ligen.

Der Impact-Score ergänzt das Medienqualitätsrating. Den Mehrwert dieser neuen Kennzahl zeigt ein Vergleich der NZZ am Sonntag mit der WOZ – Die Wochenzeitung auf. Während die WOZ im Qualitätsrating in dieser Ausgabe knapp besser abschneidet als die NZZ am Sonntag, zeigt der Impact-Score auf, dass die NZZ am Sonntag aufgrund höherer Werte bei der Reichweite und Nutzungshäufigkeit sowie beim vermuteten Informations- und Verständnisgewinn einen höheren gesellschaftlichen Einfluss hat.

Auch die Grenzen der Analyse dürfen nicht verschwiegen werden. Erstens: Ein Beitrag für die Meinungs- und Willensbildung erschöpft sich nicht in der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung. Künftige Erhebungen sollten noch andere wichtige Ressorts einbinden, insbesondere Ausland, Kultur und Wissenschaft. Zweitens: Es wird keine Unterscheidung zwischen den drei Staatsebenen Gemeinde, Kanton und Bund getroffen. Gerade die Regionalmedien spielen jedoch eine wichtige Rolle auf Gemeinde- und Kantonsebene, die in der Messung nicht ausreichend berücksichtigt wird. Drittens: Die Befragten tendieren dazu, sozial erwünscht zu antworten. So könnten Nutzungshäufigkeiten bei Leitmedien eher als zu hoch angegeben werden, bei Boulevardmedien eher als zu tief. Zudem ist die Beurteilung des Informations- und Verständnisgewinns eine Selbsteinschätzung. Die Befragten geben an, welchen Informations- und Verständnisgewinn sie empfinden oder eben auch erwarten.

Des Weiteren ist ein hoher Impact-Score zwar für einzelne Medientitel erfreulich, auf gesellschaftlicher Ebene aber eine Konzentration an Meinungs- und Willensbildungskraft bedenklich ist. Vor diesem Hintergrund wären die hohen Werte der SRG-Medientitel zu diskutieren. Während die einen vielleicht die hohe Impact-Konzentration an der Spitze kritisieren, sehen die anderen darin womöglich die Systemrelevanz der SRG-Titel.